
Darum solltest Du doch Geschichte studieren
veröffentlicht am 01.01.2021 von Christian Schultz
Geschichte studieren – und danach Taxi fahren oder sich mit Gelegenheitsjobs durchschlagen. Oder sich für ein zweites Fach entscheiden und Lehrer werden. So das gängige Klischee zum Berufsziel des Historikers. Doch trifft das auf die Realität wirklich zu?
Damit gleich alle Karten auf dem Tisch liegen: Ich selbst habe Geschichte studiert. Und zwar sehr gern. Als ich nach dem Abitur angefangen habe, mir Gedanken über meinen beruflichen Werdegang zu machen – damals lag zwischen der Schule und dem Studium noch der Zivildienst beziehungsweise die Bundeswehr – stand für mich recht schnell fest, dass ich Geschichte studieren würde.
Da mein damaliger Berufswunsch Sportjournalist lautete, habe ich mich außerdem für ein Germanistik-Studium eingeschrieben. Geschichte war zu Beginn tatsächlich nur der Juniorpartner neben dem Hauptfach Deutsch. Meine damalige Überlegung: Wer gut schreiben lernen will, sollte Germanistik studieren. Weil ich noch ein Nebenfach brauchte, folgte ich hier einfach meinem Interesse.
Historiker werden – ist das sinnvoll?
Erst als ich zwei Jahre später die Uni gewechselt habe und mich ein hoher Numerus clausus im Fach Germanistik überraschte, verlagerte ich den Schwerpunkt meines Studiums vollends auf die Historie. Im Nachhinein konnte mir nichts Besseres widerfahren. Mit den Literaturwissenschaften bin ich nie so richtig warm geworden. Und wie man richtig schreibt – das habe ich im Geschichtsstudium gelernt. Nicht in der Germanistik.
Geschichte studieren – und dann zum Arbeitsamt!
Natürlich habe ich mich schon während meines Studiums mit den Zukunftsaussichten eines Historikers auseinandergesetzt. Je näher ich dem Abschluss kam, desto mehr beschäftigte mich die Frage, in welcher Form ich ins Berufsleben einsteigen würde. Selbstverständlich hatte ich immer wieder Praktika belegt, beim Radio, bei Tageszeitungen. Doch als es dann ans Bewerben ging, stellte ich fest, dass ein Magister in den Geisteswissenschaften tatsächlich nicht gerade ein Türöffner in den Personalabteilungen ist.

Während viele meiner Freunde auf Lehramt studiert hatten und mehr oder weniger nahtlos verbeamtet wurden, sah ich mich einer Welle von Absagen ausgesetzt. Ich liebäugelte sogar mit dem Gedanken, noch einen Master in BWL dranzuhängen. Arbeitslos war ich dennoch nicht einen Tag in meinem Leben. Mir war klar, dass ich anfangs nicht wählerisch sein darf – und so sagte ich gleich beim ersten Jobangebot zu und wechselte von der Uni in den Vertrieb.
Es folgten Stationen beim Radio, in der öffentlichen Verwaltung und zuletzt bei einem großen Verband. Zum Online Marketing bin ich gekommen, da ich mit der Zeit erkannte, dass viele Unternehmen sehr schlecht in diesem Bereich aufgestellt sind.
Warum Du auch heute noch Geschichte studieren solltest
Der Einstieg in den ersten Job ist nach dem Geschichtsstudium ist nicht immer leicht. Diese Aussage trifft sicherlich zu. Viele meiner Kommilitonen standen nach der Abschlussarbeit vor einer ähnlichen Herausforderung.
Und dennoch würde ich auch heute noch erneut Geschichte studieren. Und zwar aus folgenden Gründen.
1. Schreiben und Sprechen
Überall wird uns um die Ohren gehauen, dass Deutschland mehr Informatiker und Ingenieure braucht. Das ist auch nicht falsch. Aber trotzdem ist es selbst den klügsten Köpfen der IT-Welt noch nicht gelungen, Programme zu entwickeln, die kreative Schreiber auch nur ansatzweise ersetzen könnten.
Im Studium der Geschichte lernst Du mehr als in jedem anderen Fach – glaub mir, ich habe auch Germanistik studiert – was es heißt, präzise, verständlich und unterhaltsam zu formulieren. Wenn Du eine Sprache richtig beherrschst, wirst Du in dieser Welt immer ein Auskommen finden. Zumal Du heute so viele Möglichkeiten hast, Dein Können auch ohne festen Arbeitgeber zu Geld zu machen.
2. Zusammenhänge erkennen und für Dich nutzen
In einem meiner ersten Seminare an der Uni erzählte uns ein Mitglieder der Fachschaft, dass wir spätestens ab jetzt jeden Tag Zeitung lesen sollten. Kaum ein anderes Fach erfordere eine breite Allgemeinbildung so sehr wie das Studium der Geschichte.
Und wirklich: Seit Tag 1 an der Uni kümmere ich mich darum zu erfahren, was in der Welt vor sich geht. Welche Entwicklungen sich auf unseren Alltag auswirken. Wie wir diese neuen Verhältnisse für uns nutzen können.
Ob ich meine Allgemeinbildung so stark ausgebaut hätte, wenn ich ein anderes Fach studiert hätte? Eines, in dem der beruflich Werdegang mehr oder weniger vorgezeichnet ist? Ich glaube nicht. Hätte ich den Einstieg ins Online Marketing gefunden? Eine Welt, in der Dir so viele Möglichkeiten offen stehen? Keine Ahnung. Eher nicht.
Wenn Du Geschichte studierst, wirst Du relativ schnell lernen, Trends zu erkennen und Zusammenhänge auszumachen. Und zwar vor den meisten anderen.
„Ein Studium der Geschichte gibt Dir das Rüstzeug, Deinen eigenen Weg zu gehen!“
Christian Schultz, Experte für Online-Marketing
3. Aussagen einordnen – und einen Nutzen daraus ziehen
Vermutlich sollte dieser Punkt auf alle Studiengänge zutreffen. Leider bin ich immer wieder erschrocken, wie viele Menschen (auch Akademiker) es gibt, die in der modernen Medienwelt nicht mehr unterscheiden können, was wahr und was falsch ist. Was durch verschiedene Quellen als sicher angenommen werden kann und welche Aussagen von bestimmten Personen nur getroffen werden, da diese sich einen Vorteil daraus versprechen.
Im Studium der Geschichte wirst Du bis zum Abwinken mit Quellen arbeiten. Du wirst lernen, diese einzuordnen und die Hintergründe der jeweiligen Ereignisse zu erschließen. Das ist eine Kernkompetenz, die Dir in allen Lebenslagen weiterhelfen wird.
4. Offen für Neues
Historiker beschäftigen sich mit der Vergangenheit. Für das Studium trifft das zu. Um auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen, musst Du Dir allerdings angewöhnen, auf dem Laufenden zu bleiben. Ohne Scheuklappen. Neugierig bleiben.
Das gilt für alle Geisteswissenschaften. Nur so können wir uns gegenüber anderen Studiengängen einen Vorteil verschaffen. Hätte ich Programmieren gelernt, wenn ich Bankkaufmann geworden wäre? Würde ich Bücher veröffentlichen, wenn ich Lehrer geworden wäre? Hätte ich mit 41 einen erfolgreichen YouTube-Kanal gestartet, wenn ich im Controlling arbeiten würde?
5. Weil Geschichte einfach super spannend ist!
Ich habe es geliebt, Geschichte zu studieren. Und ich lese immer noch gern Bücher aus diesem Genre, besorge mir regelmäßig die neuesten Werke von renommieren Historikern – meistens aus dem englischsprachigen Raum.
Warum zerfiel das Römische Imperium? Wie kam es zur Französischen Revolution? Warum sind Europa und Nordamerika reich, Lateinamerika und Afrika aber nicht? All diese Fragen sind extrem spannend und helfen Dir, ein Verständnis für die heutige Welt zu entwickeln.
Gibt es auch Argumente gegen ein Geschichtsstudium?
Aber ja. Wie Du schon weiter oben lesen konntest, ist der Einstieg in den Beruf nicht ganz geradlinig. Wenn Du kein Händchen für Sprache hast, solltest Du über ein anderes Studium nachdenken. Falls Du Schwierigkeiten mit der Vorstellung hast, immer mal wieder etwas Neues zu erlernen – dann ist das Geschichtsstudium vielleicht auch nichts für Dich.
Falls Dich aber die Entwicklung der Menschheit interessiert; wenn Du Lust daran hast, lebenslang zu lernen; falls Du Dir vorstellen kannst, im Berufsleben Deinen eigenen Weg zu gehen – dann freunde Dich mit dem Gedanken an, Geschichte zu studieren.
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